Auch wenn es sich gerne anders wünscht wird: Der Weg von der ersten Idee bis zur Fertigstellung einer Baumaßnahme ist meist lang und mit Herausforderungen verbunden. Selbst bei kleinen Bauprojekten, wie dem Bau einer Querungshilfe für den Fuß- und Radverkehr, ist ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren nicht untypisch. Neben der Planung müssen nämlich noch weitere Randbedingungen und Zwangspunkte geklärt werden.
Zu Beginn eines jeden Projektes stehen die folgenden Fragen:
Aus den vorgenannten Fragen lässt sich bereits herleiten, dass es deutlich mehr Schritte benötigt, um ein Straßenbauprojekt zu realisieren. Die einzelnen notwendigen Tätigkeiten lassen sich in fünf Schritte untergliedern.
Die erste Phase ist stark von der Erhebung und der Analyse von Bestandsdaten geprägt. Der Aufbau einer umfangreichen Projektgrundlage ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Planung. Hierzu zählen unter anderem folgende Daten:
Hat sich durch die oben genannten Daten ein Handlungsbedarf ergeben, erfolgt eine Bestandsanalyse vor Ort. Hierbei wird der aktuelle Zustand der Straße detaillierter betrachtet. Es werden beispielsweise Bohrkerne gezogen, um Rückschlüsse zum Straßenaufbau zu erhalten oder Sichtbeziehungen vor Ort überprüft.
Nach der Bedarfsfeststellung folgt eine Variantenuntersuchung, bei der auch Flora, Fauna und Topographie berücksichtigt werden. Hierbei wird auch eine erste Abfrage der Träger öffentlicher Belange, wie Kommune, Naturschutz, Polizei, Ordnungsamt (TÖB 1) vorgenommen. Parallel wird häufig ein Verkehrssicherheitsaudit durchgeführt. Hierbei betrachtet ein zertifizierter Dienstleister den jeweiligen Streckenabschnitt und fasst verschiedene Sicherheitsmängel, welche sich beispielsweise durch Änderungen der Richtlinien ergeben haben, in einem Bericht zusammen.
Das Ergebnis der ersten Phase ist ein erster Entwurf, der sogenannte Vorentwurf, sowie daraus resultierend eine Kostenschätzung.
Die zweite Phase zeichnet sich durch intensive Abstimmungsprozesse aus, welche dazu dienen, die Maßnahme im Gesamten zu konkretisieren. Zunächst muss die Planungsabteilung feststellen, welche der im folgenden genannten Untersuchungen notwendig sind und hierfür entsprechend Angebote einholen beziehungsweise Aufträge vergeben. In Zusammenarbeit mit dem Vermessungsamt wird zudem der Bestand und das Gelände mit Koordinaten erfasst.
Im Zuge des zweiten Träger öffentlicher Belange-Verfahrens wird der Kontakt zu den sogenannten „Dritten“ gesucht: Die Träger öffentlicher Belange sind Verwalter öffentlicher Sachbereiche, welche bei Bauvorhaben angehört und einbezogen werden müssen. Hierzu zählen zum Beispiel der Naturschutz, weitere betroffene Behörden und Versorgungsunternehmen. Ergänzend hierzu werden auch Verbände, wie der Naturschutzbund oder der Allgemeine Deutsche Fahrradclub miteinbezogen, um möglichst vielfältige Rückmeldungen zur Maßnahme zu erhalten.
Neben dem Träger öffentlicher Belange-Verfahrens werden in dieser Phase auch naturschutzfachliche Gutachten und daraus resultierende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Erstellung eines landschaftspflegerischen Begleitplans oder eine Habitatuntersuchung erstellt.
Der landschaftspflegerische Begleitplan enthält eine Zusammenstellung von Plänen und erläuternden Texten. Diese geben die Maßnahmen wieder, die für die Kompensation oder Minimierung des Eingriffes im unmittelbaren Baufeld notwendig sind.
Im Zuge einer Habitatuntersuchung, beziehungsweise der Habitatpotentialanalyse, wird das Planungsgebiet und die Umgebung hinsichtlich der derzeitigen Lebensraumausstattung gesichtet. Es wird also durch mehrmalige Besuche festgestellt, welche Tiere, wie zum Beispiel Zauneidechse, Hasel- oder Fledermaus, sich angesiedelt haben. Bei entsprechend positiven Sichtungen werden Maßnahmen zum Schutz der Tiere erarbeitet.
Ergänzend zu den naturschutzfachlichen Gutachten erfolgt ein Baugrundgutachten. Hierbei werden die Baugrund- und Grundwasserverhältnisse betrachtet und unter anderem Angaben zur Beschaffenheit des dort anzutreffenden Bodens gemacht. Es wird zudem geprüft, ob Altlasten im Boden oder Straßenaufbau, zum Beispiel Teergehalt, oder andere Verunreinigungen enthalten sind. Abhängig vom Aufbau des Bodens und der späteren Einwirkung durch zum Beispiel Straßenverkehr, muss die Planungsabteilung verschiedene Maßnahmen zur Stabilisierung des Untergrundes festlegen. Werden Schadstoffe gefunden, ist deren Entsorgung einzukalkulieren.
Auch Kampfmitteluntersuchungen werden regelmäßig im Zuge von Planungs- und Baumaßnahmen entlang des Straßenraums durchgeführt. Als Bauherr ist das Landratsamt verantwortlich für die Kampfmittelfreiheit des Baugrundstücks. Um dies zu gewährleisten, wird das zukünftige Baufeld von einer Fachfirma auf Blindgänger und andere Gegenstände militärischer Herkunft oder Explosivstoffe untersucht. Diese können aus den vorangegangenen Weltkriegen noch im Untergrund verborgen liegen.
Neben der Durchführung der verschiedenen Gutachten beginnen in dieser Phase gegeben Falls auch die Grunderwerbsverhandlungen. Wird zusätzliche Fläche benötigt, werden die Eigentümerinnen oder Eigentümer der jeweiligen Grundstücke ermittelt und anschließend kontaktiert. Ziel der Verhandlungen ist es, die benötigten Flächen käuflich zu erwerben („freihändiger Erwerb“). Die Verhandlungen können unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen und sind abhängig vom notwendigen Klärungsbedarf. Grundsätzlich wird als Kaufpreis der Verkehrswert der betroffenen Grundstücke ermittelt sowie ein Ausgleich für eventuell sonstige Vermögensnachteile geleistet. Für die Bemessung werden gemeindliche Gutachterausschüsse oder Sachverständige beauftragt, um ein objektives Ergebnis zu erhalten.
Nach Auswertung der verschiedenen Gutachten und Verhandlungen wird in der Planungsabteilung der Vorentwurf weiterbearbeitet und konkretisiert. So entstehen final die Ausführungspläne, welche letztendlich den Baufirmen für die Realisierung der Projekte zur Verfügung gestellt werden. Die Ausführungspläne bestehen aus mehreren Planunterlagen. Hierzu zählen:
Vervollständigt werden diese Unterlagen durch eine Kostenberechnung, Massen- und Mengenermittlung, Vereinbarungen und Förderanträge.
Nach Abschluss der Ausführungsplanung werden weitere Vorbereitungen für die Umsetzung der Maßnahme getroffen. Das Projekt wird nun in die Hände der Bauabteilung übergeben.
Sofern die Zustimmung des Gremiums für eine Maßnahme erforderlich ist, wird in dieser Phase auch eine Ermächtigungsgrundlage beziehungsweise ein Beschluss eingeholt.
In Vorbereitung zum Bau stellt die Bauabteilung die Ausschreibungsunterlagen zusammen. Neben den notwendigen Planunterlagen wird eine Baubeschreibung verfasst. Diese stellt auf wenigen Seiten die Maßnahme in Textform vor und informiert über verschiedene Vertragsbestandteile. Ergänzend hierzu wird ein Leistungsverzeichnis erstellt. Dieses Dokument umfasst alle für eine Maßnahme notwendigen Tätigkeiten, Materialien und Mengen beziehungsweise Massen. Es fasst somit die für jedes notwendige Gewerk baulichen Teilleistungen zusammen. Unter einem Gewerk versteht man zum Beispiel die Verkehrssicherung, die Erd- oder die Asphaltarbeiten.
Für die bauliche Umsetzung ist gegeben Falls eine Sperrung oder Teilsperrung eines Streckenabschnittes erforderlich. Für die Lenkung des Verkehrs aber auch für die Absicherung der Baustelle werden Vorort Daten erhoben und mit der Straßenverkehrsbehörde die Umleitung besprochen. Hierbei werden Umleitungsstrecken für den Öffentlichen Personennahverkehr und den allgemeinen Kraftfahrzeug-Verkehr und eine grobe Schätzung an benötigten Absperrelementen und Verkehrszeichen vorgenommen.
Auch die Nachhaltigkeit spielt bei den Baumaßnahmen eine wichtige Rolle.
Die Ausschreibung von Bauleistungen erfolgt grundsätzlich durch die Veröffentlichung auf einer Bekanntmachungsplattform zum Beispiel bei einem Staats- oder Bundesanzeiger. Dabei haben potentielle Firmen die Möglichkeit, für die geforderte Leistung im Wettbewerb ein Preisangebot abzugeben.
Parallel zur Ausschreibungsphase findet gegebenenfalls die Umsetzung von CEF-Maßnahmen, also der vorgezogene Ausgleich für Straßenbaueingriffe, statt. Es handelt sich hierbei um vorgezogene Maßnahmen auf dem Baugelände, wie dem Rückschnitt von Bäumen und Hecken, die Anbringung von Nisthilfen oder Maßnahmen zur Vergrämung von Eidechsen. Für letzteres wird beispielsweise das Gras sehr kurz geschnitten und über längere Zeit niedrig gehalten, so dass die Eidechsen sich in die nähere Umgebung zurückziehen
Ist die Angebotsabgabefrist, der sogenannte Submissionstag, abgelaufen, werden die eingegangenen Angebote geöffnet, auf Vollständigkeit und Wirtschaftlichkeit geprüft und anschließend gewertet. Den Zuschlag erhält in der Regel die Firma, welche das wirtschaftlichste Angebot einreicht. Es folgt die erste Kontaktaufnahme sowie ein Bauanlaufgespräch, bei welchem der Baubeginn sowie der Bauzeitenplan besprochen wird.
Vor Baubeginn werden Anwohnende und gegebenfalls Gewerbetreibende über verschiedene Wege informiert. So wird eine Pressemitteilung veröffentlicht und direkt betroffene Personen über ein Schreiben in Kenntnis gesetzt. Bei größeren Baumaßnahmen oder auf Wunsch der Kommunen können auch Informationsveranstaltungen vor Ort stattfinden. Im Zuge der Öffentlichkeitsarbeit wird die Baustelle auch im sogenannten Baustellen- und Ereignismanagementsystem eingestellt. Hierdurch sind die Informationen zu Sperrungen in den Navigationssystemen hinterlegt.
Mit Baubeginn richtet die Baufirma ihren Baubereich ein und sperrt diesen mittels Absperrelementen und Verkehrszeichen ab. Bei Bedarf wird auch eine Umleitungsstrecke ausgewiesen. Die Baufirma führt anschließend im Auftrag des Straßenbauamtes die Maßnahme durch. Das Straßenbauamt übernimmt hierbei die Rolle des Beobachters und überwacht den Fortschritt und die Güte beziehungsweise Qualitätsstandards der Baumaßnahme. Es finden regelmäßig Termine vor Ort statt, um sich über die Entwicklung oder auftretende Hindernisse auszutauschen. Werden mehrere Firmen für ein Bauprojekt beauftragt, so übernimmt das Straßenbauamt die Koordinierung der Arbeiten und ist in stetigem Kontakt mit den beauftragten Unternehmen.
Sind die Arbeiten vollumfänglich abgeschlossen, findet die Abnahme der Bauleistung statt. Bei einer gemeinsamen Begehung mit der oder dem Auftragnehmenden wird die Bauleistung auf Mängel geprüft. Nach einer erfolgreichen Projektumsetzung erfolgt schließlich die Verkehrsfreigabe.
Bei langfristigen Arbeiten findet in diesem Fall häufig eine feierliche Verkehrsfreigabe statt, zu welcher neben der Öffentlichkeit auch verschiedene Vertreterinnen und Vertreter, wie zum Beispiel Landrat, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Gemeinderat, Presse und Baufirma eingeladen werden.
Das Projekt ist nach der Verkehrsfreigabe für das Straßenbauamt noch nicht abgeschlossen und es sind noch einige Aufgaben zu erledigen:
Die Baufirma stellt dem Straßenbauamt eine Schlussrechnung, welche durch die Bauleitung des Straßenbauamts geprüft wird. Um alle Tätigkeiten nachvollziehen zu können werden Abrechnungspläne, Tagesberichte und weitere Aufmaß-Unterlagen gesichtet und jede Position einzeln überprüft. Ist alles korrekt und nachgewiesen, kann die Rechnung freigegeben und durch die Abteilung Haushalt angewiesen werden.
Nach Abschluss der Baumaßnahme und Rechnungsprüfung können auch die beantragten Fördermittel abgerufen werden. Hierfür wird ein Bericht verfasst, welcher die erfolgreiche Umsetzung darlegt und ein Verwendungsnachweis eingereicht.
Zusätzlich zur Überprüfungen der Rechnungen kann es nötig sein, ein finales Verkehrssicherheitsaudit durchzuführen. Ein zertifizierter Dienstleister begeht hierbei die fertiggestellte Verkehrsfläche ein letztes Mal und überprüft, ob alle Punkte des ersten Audits umgesetzt und der Bau entsprechend der Planung ausgeführt wurde und der Straßenraum für alle Verkehrsteilnehmende sicher nutzbar ist.
Mit der Bauabnahme beginnt die Mängelanspruchsfrist beziehungsweise Gewährleistung, während deren Verlauf der Auftragnehmende entstehende Mängel gegebenenfalls beheben beziehungsweise regulieren muss.
Sowohl in der Planungs- als auch in der Bauphase gibt es vielseitige Herausforderungen, die Einfluss auf Realisierung eines Projektes haben.
In der Planung spielen insbesondere die Themen Topographie, Gewässerschutz, Naturschutzgebiete und Grunderwerbsverhandlungen eine bedeutende und häufig auch zeitaufwendige Rolle.
Grenzt ein Bauprojekt an Schutzgebiete, erfordert dies intensive Abstimmungsprozesse mit den jeweiligen Behörden und Verbänden. Topographische Besonderheiten, wie beispielsweise entlang des Albtraufs, erfordern zusätzliche Absicherungsmaßnahmen und eine intensive Beobachtung der lokalen Entwicklungen.
Grunderwerbsverhandlungen können aus verschiedenen Gründen viel Zeit in Anspruch nehmen: So ist es nicht immer einfach, die tatsächliche Eigentümerin oder den Eiegemtümer zu ermitteln und die- oder denjenigen nach einem Umzug zu kontaktieren. Auch die sich anschließenden Verhandlungen können zeitintensiv sein, wenn es offene Fragen gibt oder das Bauvorhaben von der Eigentümerin oder dem Eigentümer kritisch betrachtet wird.
In der Bauphase spielen insbesondere Naturschutz, Naturgewalten und die Witterung sowie die Verfügbarkeit von Materialien und weiteren Ressourcen eine besondere Herausforderung.
Witterungsbedingt können im Straßenbau einige Tätigkeiten, wie beispielsweise der Asphalteinbau, nur zeitlich begrenzt durchgeführt werden: Sind die Temperaturen zu kalt oder regnet es zu stark, kühlt der Asphalt zu schnell aus und verbindet sich nicht mit der darunter liegenden Schicht. Das Ergebnis sind vorzeitig auftretende Schäden. Sind die Außentemperaturen dagegen zu hoch, können nachfolgende Arbeiten infolge einer längeren Asphalt-Auskühlphase nicht zeitnah durchgeführt werden und das Bauprojekt verlängert sich. Immer häufiger behindern auch starke Unwetter den Bau: Starkregen-Ereignisse und Unwetter gefährden nicht nur die Sicherheit des Baupersonals, sie lassen beispielsweise auch ausgehobene Baugruben mit Wasser volllaufen, welche anschließend leer gepumpt werden müssen.
Zusätzlich richtet sich die Umsetzung von Bauprojekten nach dem Naturschutz: Bei vorbereitenden Maßnahmen werden die gesetzlichen Zeiten außerhalb der Vegetation in den Wintermonaten eingehalten. Auch die verschiedenen Brutzeiten geschützter Vögel haben Einfluss auf die Durchführungszeit. Jedoch werden nicht nur Vögel besonders geschützt, auch auf Mäuse und Eidechsen und deren Aktiv-Zeiten wird Rücksicht genommen.
Regelmäßig gibt es auch Neuerungen bei den rechtlichen Vorgaben, die starken Einfluss auf ein Bauprojekt haben können. So trat beispielsweise im Jahr 2023 bundesweit die neue Mantelverordnung in Kraft. Diese hat das Ziel, einheitliche Regelungen für den ökologischen Einsatz von Recycling-Baustoffen zu etablieren. Es sollen gleichermaßen die Anforderungen der Kreislaufwirtschaft und anspruchsvolle Standards beim Boden- und Grundwasserschutz berücksichtigt werden. Hierdurch ändern sich jedoch einige Verfahren bei der Baustelleneinrichtung und bei der Abfuhr beziehungsweise Wiederverwendung von Materialien, was nicht nur zusätzliche Kosten, sondern auch eine Bindung personeller Ressourcen mit sich führt.
Je nach Baumaßnahme können Engpässe bei Materialien und Ressourcen das Projekt verzögern. Ursachen hierfür gibt es viele, wie die Corona-Pandemie oder Schiffsunglücke, welche wichtige Handelsrouten blockieren. Auch der Fachkräftemangel macht vor der Baubranche keinen Halt, wodurch Bauunternehmen Baustellen nicht sofort nach Zuschlag einrichten und Projekte später als geplant starten können.