vom 16.07.2007
Auch im Landkreis Reutlingen gibt es eine wachsende Anzahl junger Menschen, die auf her-kömmliche, einrichtungsbezogene Angebote der verbandlichen und offenen Jugendarbeit nicht (mehr) ansprechen und durch ein problematisches Sozial- und Freizeitverhalten auffallen. Oft fehlt ein stützendes Elternhaus und das Vertrauen in traditionelle Institutionen der Jugendhilfe. Cliquen und Szenen stellen für diese Jugendlichen wesentliche Bezugspunkte dar.
Diese Gruppe der Jugendlichen muss als potenziell gefährdet angesehen werden, weil sie in Gefahr steht, ausgegrenzt zu werden oder sich abzusondern. Häufig ist ihre Alltagssituation gekennzeichnet durch Langeweile, Perspektivlosigkeit, Imponiergehabe, extensiven Alkoholkonsum auf dem Hintergrund von Arbeitslosigkeit, Armut, Verschuldung, Straffälligkeit, Obdachlosigkeit. Die Anfälligkeit für Gewaltbereitschaft und rechtsextremistisches Gedankengut kommt oft verschärfend dazu.
Zur Bewältigung der Risiken der Jugendphase benötigen zunehmend auch jüngere Jugendliche und junge Erwachsene die Unterstützung durch verlässliche erwachsene Vertrauenspersonen.
Mobile Jugendarbeit hat sich in der Verschiedenartigkeit ihrer Methoden und Formen für Probleme dieser Art bewährt.
Der Landkreis hat als Träger der öffentlichen Jugendhilfe Interesse daran, dass diese jungen Menschen vor Ort unter Einbeziehung des Gemeinwesens und des konkreten Lebensfeldes Hilfestellung erfahren.
Der Landkreis fördert nach Maßgabe dieser Richtlinien im Rahmen der im Haushaltsplan bereitgestellten Mittel Mobile Jugendarbeit in Städten und Gemeinden des Landkreises Reutlingen.
Mit dem Angebot sollen Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 26 Jahren erreicht werden. Vermehrt sind auch Kinder unter 14 Jahren auf der Straße anzutreffen. Von den Mitarbeitern der Mobilen Jugendarbeit festgestellte Bedarfslagen von Kindern werden im Rahmen der Gemeinwesenorientierung in die örtlichen Arbeitskreise eingespeist.
Durch Mobile Jugendarbeit soll erreicht werden, dass zu gefährdeten, von Ausgrenzung be-drohten oder bereits ausgegrenzten Jugendlichen Kontakt hergestellt und auf der Basis von Vertrauensbildung konkrete Hilfen vermittelt werden. Ziel ist die Verhinderung weiteren sozialen Abgleitens und die Hinwirkung auf eine positive Lebensbewältigung und -gestaltung.
Spezielle Arbeitsformen (Streetwork; individuelle Beratung und Unterstützung, Angebote für Cliquen und Gruppen, gemeinwesenorientierte Arbeit) sowie die akzeptierende Haltung von Fachkräften der Mobilen Jugendarbeit bieten Möglichkeiten, einen tragfähigen Kontakt zu Jugendlichen, die von Ausgrenzung betroffen sind, herzustellen.
Streetwork
Kontaktaufbau und –pflege sowie das ständige Vertiefen und Aktualisieren der Kennt-nisse über die Lebenswelt der Zielgruppen steht im Mittelpunkt von Streetwork, bei der die Mitarbeiter/-innen die jungen Menschen regelmäßig an ihren Orten und zu ihren Zei-ten aufsuchen. Sie bieten bei Bedarf dort direkt Beratung und Information an. Über regelmäßige Streetwork entwickeln die Mitarbeiter/-innen der Mobilen Jugendar-beit die für ihre Arbeit notwendige Nähe zu den Jugendlichen, die sonst zumeist als stö-rend, auffällig oder gefährlich wahrgenommen werden. Die Jugendlichen können schrittweise eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung zu ihnen aufbauen. Sie erle-ben einen Menschen, der sich mit ihnen um Antworten auf ihre Fragen bemüht, der Ideen hat.
Individuelle Beratung und Unterstützung
Die Mitarbeiter/-innen bieten Hilfe zur Lösung aller individuellen Probleme an, die die Jugendlichen mit ihnen bearbeiten wollen. Dies beinhaltet insbesondere
Form und Inhalt dieser Hilfen und Unterstützungsleistungen für Einzelne sind vielfäl-tig und folgen keiner festen Ablaufstruktur. Zeitliche Flexibilität, verlässliche Erreich-barkeit durch feste Bürozeiten, Anrufbeantworter und Mobiltelefon sowie die Ver-netzung mit allen Institutionen, die für die Jugendlichen hilfreich sein können, sind wichtige Anforderungen zur Realisierung dieser Hilfen.
Angebote für Cliquen und Gruppen
Ausgehend von der Annahme, dass Cliquen für Jugendliche Entwicklungschancen bie-ten, unterstützen die Mitarbeiter/-innen Cliquen insbesondere bei der Suche nach Treff- und Aktionsmöglichkeiten. Angebote für Cliquen und Gruppen sollen statt Belehrungen alternative Erfahrungen und das Entwickeln sozialer Kompetenzen ermöglichen und den Jugendlichen so neue Handlungsoptionen erschließen. Gruppenangebote und Cliquenberatungen können sowohl als langfristig geplante und angestrebte Bildungsprozesse als auch als kurzfristige, schnelle Kriseninterventionen erfolgen.
Gemeinwesenorientierte Arbeit
Das Ziel, die Lebensbedingungen der jungen Menschen dadurch zu verbessern, dass die Rahmenbedingungen in ihrem Gemeinwesen günstiger werden und die soziale Inf-rastruktur für sie verbessert oder besser nutzbar gemacht werden kann, steht im Mittel-punkt der gemeinwesenorientierten Tätigkeiten der Mobilen Jugendarbeit. Diese beinhalten:
Zu jeder vom Landkreis geförderten Mobilen Jugendarbeit wird ein Begleitkreis gebildet. Un-ter Federführung des Kreisjugendamtes wird er in Abstimmung mit dem Träger der Mobilen Jugendarbeit eingeladen. Einzubeziehen sind die örtlich zuständigen Jugendsachbearbeiter der Polizei und ein Vertreter der Kommune, in der die Mobile Jugendarbeit eingesetzt ist. Der Begleitkreis hat den Auftrag, die Arbeit zu reflektieren und das Konzept fortzuschreiben sowie ständig an Bedarfslagen anzupassen. Er trifft sich ein- bis zweimal im Jahr. Er hält Kontakt zu örtlichen Arbeitskreisen.
Als Träger Mobiler Jugendarbeit kommen
7.1
Förderungsvoraussetzung ist das positive Votum eines beratenden Fachgremiums, welches vom Kreisjugendamt einberufen wird. In diesem werden alle Anträge auf ih-ren Bedarf hin geprüft und es wird eine Priorisierung vorgenommen. Neuanträge und Folgeanträge werden dort von den Antragstellern unter Beteiligung der Stadt/Gemeinde, in der die Mobile Jugendarbeit eingesetzt wird, vorgestellt. Die Bedarfseinschätzung des Begleitkreises sowie ergänzend von kommunalen Arbeits-kreisen oder runden Tischen bei bestehender Mobiler Jugendarbeit sind dabei zu be-rücksichtigen. Dem beratenden Fachgremium gehören an: Leitung des Kreisjugendamtes, Jugend-hilfeplanung, Leitung Soziale Dienste, ein Vertreter der Polizei und ein Vertreter der Kreis-Liga der Wohlfahrtsverbände. Das Kreisjugendamt kann im Bedarfsfall weitere Personen zur Beratung hinzubitten. Als Grundlage für die Bedarfsprüfung werden insbesondere die Expertenaussagen der Mitglieder des Fachgremiums und ausgewählte Daten der Integrierten Berichter-stattung auf örtlicher Ebene, Daten der Kriminalitätsstatistik sowie weitere aussage-kräftige Daten aus sonstigen Statistiken zum Umgang und zur Situation benachteilig-ter Jugendlicher herangezogen.
7.2
Vorliegen einer Konzeption mit konkreter Beschreibung des Dienstauftrages der Fachkräfte und der Rahmenbedingungen für die Arbeit in Abstimmung mit dem Kreis-jugendamt.
7.3
Bei Wahrnehmung der Aufgabe durch freie Träger ist das Einvernehmen sowie eine angemessene Beteiligung der Stadt bzw. Gemeinde erforderlich. Die Gesamtfinanzie-rung muss gesichert sein.
7.4
Die Förderung kann nur gewährt werden, wenn spezielle Fachkräfte angestellt sind. Als Fachkräfte für Mobile Jugendarbeit kommen insbesondere Absolventen der Fach-hochschulen und Berufsakademien für Sozialwesen mit entsprechender Berufserfah-rung bzw. Zusatzausbildung in Frage.
8.1
Die Anzahl der geförderten Fachkräfte ist abhängig von den im jeweiligen Haushalt des Landkreises eingestellten Mitteln.
8.2
Eine Stelle wird zunächst keiner Kommune zugeordnet, sondern nach Bedarf kurzfris-tig bei besonderen Problemstellungen ggf. auch gemeindeübergreifend für einen eng begrenzten Zeitraum eingesetzt. Die Entscheidung darüber trifft das Kreisjugendamt auf der Grundlage einer Beschreibung der Situation. Vom Clearingauftrag bis zu ei-nem Einsatz von einem Jahr kann diese Stelle eingesetzt werden.
Der Landkreis fördert die Mobile Jugendarbeit nach Maßgabe dieser Richtlinien anteilig auf der Rechtsgrundlage des § 74 SGB VIII in Höhe der bereitgestellten Haushaltsmittel. Ein Rechtsanspruch auf Förderung besteht nicht. Der Antragsteller darf seine Beschäftigten finanziell nicht besser stellen als vergleichbare Bedienstete des Landkreises. Hier findet der TVöD samt Überleitungstarifvertrag (TVU-VKA) Anwendung. Für Beschäftigte oder auf Honorarbasis eingesetzte Fachkräfte wird pro 100-%-Stelle jährlich ein Personalkostenzuschuss von 28.000 EUR gewährt. Eine rückwirkende Förderung ist grundsätzlich nicht möglich. Die Träger werden aufgefordert, Fördermöglichkeiten Dritter, insbesondere Landesmittel, zu beantragen.
10.1
Ein Zuschuss wird nur auf schriftlichen Antrag gewährt, der beim Landratsamt Reut-lingen, Postfach 21 43, 72711 Reutlingen, zu stellen ist. Sachbearbeitende Dienststel-le ist das Kreisjugendamt.
10.2
Dem Antrag sind insbesondere beizufügen:
10.3
Für die den Städten und Gemeinden zugeordneten Stellen bewilligt das Landratsamt die Fördermittel jeweils für drei Jahre. Für die Sonderstelle werden die Zuwendungen für einen kürzeren Zeitraum bewilligt.
10.4
Als Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung des Zuschusses ist dem Land-ratsamt jährlich ein Verwendungsnachweis (Sachlicher Bericht und Gesamtkostenab-rechnung) vorzulegen. Dem Landratsamt steht ein Prüfungsrecht der entsprechenden Unterlagen zu.
10.5
Der Zuschuss kann teilweise oder ganz zurückgefordert werden, wenn der Antragstel-ler die Zuwendung zu Unrecht, insbesondere durch unzutreffende Angaben, erlangt hat oder die zweckentsprechende Verwendung des Zuschusses nicht nachweisen kann.
Diese Richtlinien gelten ab dem 01.01.2008.