Streuobstwiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas und stehen daher als gesetzlich geschützte Biotope (§ 30 Bundesnaturschutzgesetz, § 33a Landesnaturschutzgesetz Baden-Württemberg) unter besonderem Schutz. Leider sind die Streuobstbestände in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Alleine zwischen 2009 und 2020 wurde in Baden-Württemberg ein Rückgang dieses Lebensraumes um 17 Prozent verzeichnet.
Mit seinen vergleichsweise hohen Streuobstvorkommen, insbesondere im Bereich des Albtraufes, kommt dem Landkreis Reutlingen eine besondere Verantwortung zum Schutz und Erhalt dieses Lebensraumes zu.
Zum Schutz der Streuobstwiesen gilt:
Im Folgenden finden Sie Wissenswertes und Tipps rund um Streuobstwiesen.
Die Beratungsstelle Obst- und Gartenbau steht bei Fragen gerne zur Verfügung.
Wildformen unseres heutigen Obstes sind schon seit tausenden von Jahren bekannt. Nach Süddeutschland kam das Obst aber erst durch die Römer.
Diese eingeführten Kulturformen wurden zunächst vor allem in klimatisch günstigen Lagen von Klöstern und auf Gutshöfen angebaut. Später dehnte sich der Anbau dann auf Ortschaften aus.
Der Begriff Streuobstwiese taucht 1941 das erste Mal überhaupt auf. Davor wurde lediglich von Obstwiesen gesprochen.
Streuobstwiesen waren ab dem 18. Jahrhundert oft gürtelförmig um die Dörfer angelegt oder verbanden einzelne Dörfer miteinander. Oft wurden sie auch gemeinschaftlich angelegt und genutzt.
Die Bedeutung des Streuobstanbaus stieg bis zu dessen Höhepunkt im 19. sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bis dahin waren mehrere tausend Obstsorten bekannt, vor allem Äpfel, Birnen, Kirschen und Pflaumen. Diese wurden je nach Standort und Verwendung angebaut und waren allesamt sehr robuste Sorten.
Der Rückgang begann in den 1920-er Jahren mit dem aufkommenden Plantagenanbau.
Im „Emser Beschluss“ wurde 1953 gefordert, Streuanbau, Strassenanbau und Mischkultur sei zu verwerfen. Von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde eine Richtlinie erlassen, auf deren Grundlage bis 1974 für jeden gefällten hochstämmigen Baum eine Prämie gezahlt wurde. Außerdem wurden viele Obstwiesen mit guten Böden in Ackerland umgewandelt und diese Umwandlung subventioniert.
Die Notwendigkeit der Ernährungssicherung durch Streuobst bestand nicht mehr, Ackerbau war einfacher und rentabler. Hinzu kam, dass sich die Ortschaften rasant ausdehnten und viele Flächen, darunter auch Streuobstwiesen, durch Siedlungen und Strassen in Anspruch genommen wurden.
Bis heute gehen die Streuobstwiesen immer weiter zurück. Erst in den letzten Jahren macht sich ein Umdenken bemerkbar und es wird verstärkt für die Streuobstwiesen geworben.
Die traditionelle Nutzung der Streuobstwiese ist eine Kombination aus Obsterzeugung und Grünlandbewirtschaftung – also Mähwiese oder Viehweide. Aus diesem Grund wurden meist hochstämmige Bäume gepflanzt, die mit einer unteren Asthöhe von etwa 1,8 Meter eine Bewirtschaftung der darunter liegenden Fläche ermöglichten.
Heutzutage werden jedoch viele der vorhandenen Streuobstwiesen weder genutzt noch gepflegt. Oft ist die Bewirtschaftung der Flächen aufgrund der Lage (oft am Hang) und des Baumbestandes nicht einfach. Die finanziellen Anreize, Zeit und Arbeit zu investieren, fehlen. Die Notwendigkeit der Bewirtschaftung, die früher gegeben war, besteht nicht mehr, das Interesse an der Erhaltung dieser landschaftsbildprägenden Strukturen ist leider vielfach verloren gegangen.
Hiermit geht auch ein Verlust der Kenntnisse über den Streuobstanbau einher. Viele der Streuobstwiesen können nur durch umfassende Pflegemaßnahmen und -konzepte gerettet oder erhalten werden. Eine Erhaltung der Streuobstwiesen ist nur möglich, wenn diese Flächen wieder genutzt oder gepflegt werden. Das bedeutet, dass die Wiesen ein bis zwei mal jährlich gemäht oder beweidet werden müssen. Zu häufiges Mähen oder Düngen, also eine intensive Nutzung der Flächen, führt zum einem Schwund der typischen Streuobstwiesen – Begleitflora und damit auch der dazugehörigen Tierwelt.
Auch die Obstbäume müssen fachmännisch gepflegt werden, um Ertrag zu bringen und gesund zu bleiben.
So helfen regelmäßige Pflegeschnitte zum Beipiel gegen Pilzbefall des Laubes und regen die Bäume allgemein zum Wachstum an. Der regelmäßige Baumschnitt sollte dabei von einem Fachwart oder einer ähnlich fachkundigen Person durchgeführt werden. Die Kreisfachberater vermitteln bei Bedarf gerne den Kontakt zu Fachwarten in Ihrer Nähe.
Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Lebensgemeinschaften Mitteleuropas. Dies ergibt sich einerseits aus der Fülle an verschiedenen Lebensräumen, die eine solche Streuobstwiese zu bieten hat; andererseits auch aus der extensiven Bewirtschaftungsform, da hier meist nicht oder nur sehr wenig gedüngt oder anderweitig chemisch eingegriffen wird.
Die vielen verschiedenen Nischen für die Tierwelt ergeben sich aus dem vertikalen Strukturreichtum. So gibt es allein in der Krautschicht einer Obstwiese mehrere tausend Insekten, hinzu kommen Spinnentiere und Kleinsäuger.
In der Baumschicht leben Bilche, Fledermäuse und zahlreiche Vogelarten, die als bedroht gelten und die auf die Streuobstwiesen angewiesen sind. Viele dieser Tiere benötigen alte Obstbäume als Nistplatz. Das verfügbare Nahrungsangebot ist durch die Krautschicht sehr hoch.
Die Funktionen einer Streuobstwiese gehen aber weit darüber hinaus, 'lediglich' Lebensraum zu bieten. Sie leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Boden - und Wasserschutz. Durch die geschlossene Krautschicht unter dem Obstbaumbestand wird in hohem Masse der Erosion entgegengewirkt. Da der Boden kaum abgetragen und im Allgemeinen auch nur sehr wenig gedüngt wird, werden kaum Nährstoffe ausgewaschen, eine Eutrophierung von Gewässern wird so weitgehend verhindert.
Außerdem bieten Streuobstwiesen den angrenzenden Dörfern Windschutz, da dieser durch den Baumbestand abgebremst wird. Als Frischluftproduzenten liefern sie einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, Unreinheiten in der Luft können abgepuffert werden und Stäube werden von den Blättern gefiltert.
Sehr wichtig ist es auch, die vorhandene genetische Vielfalt der alten Obstsorten zu erhalten.